Fall 2
 
 

Turnier : Bonner Paarturnier vom 01.06.2000; Klasse M
Turnierleiter : Jörg Fritsche
Der Fall :
Teiler S,
Gefahr NS
P: A10x    

West

Nord

Ost

Süd

C: xxx       1 Treff a
K: Bxxx 2 Karo a pass 2 Coeur a pass
T: K109 2 Pik a kontra pass 3 Pik
P: KB98x   P: 7xxx pass 3 SA 4 Pik pass
C: KB9xx C: x pass kontra pass pass
K: K K: ADxx pass      
T: xx T: B87x        
Score:
+300
P: D   1 Treff: vorbereitend
C: AD10x 2 Karo: beliebige 5-5 Hand
K: 109xx 2 Coeur: forcing Relais, ab 0 Punkten
T: ADxx 2 Pik: 5er Pik + andere 5er Farbe
           
Turnierleiter: Der Turnierleiter wird von Ost nach 3 SA von Nord geholt. Auf sein Nachfragen hat sich herausgestellt, dass Nords kontra auf 2 Pik kein Strafkontra war (und damit nach den in Deutschland gültigen Alertregeln alertierpflichtig ist). Die Rechte werden gewahrt.
Nach dem Spiel wird der Turnierleiter erneut geholt. Ost bemängelt die falsche Auskunft von Süd bzgl. des kontras und erläutert, dass er bei korrekter Auskunft direkt 3 Pik gereizt hätte. Damit wäre der weitere Verlauf der Reizung unklar gewesen, aber der Endkontrakt sicherlich nicht 4 Pik im kontra. Die bedeutung des kontras als negativ ist von NS unbestritten.

Der Turnierleiter enstcheidet nach eingehender Beratung mit den anderen Turnierleitern: NS hatten einen Vorteil durch die falsche Auskunft, OW einen Nachteil. Daher bekommen OW den günstigsten Score zugewiesen, der nach korrekter Auskunft denkbar gewesen wäre, nämlich 3 Pik ohne kontra - 1. NS erhalten den für sie schlechtest möglichen noch wahrscheinlichen Score, hier 3 SA - 2 für - 200. Das Gebot von 4 Pik wird von den Turnierleitern nicht als abwegig angesehen. Von einer 60/40 Entscheidung wird Abstand genommen, da man nach Möglichkeit versuchen sollte, ein "echtes" Ergebnis zuzuweisen

NS legen Protest gegen diese Entscheidung ein.

Spieler:  
Schiedsgericht: Vor dem Schiedsgericht bezeichnet der N-Spieler das Passe des Ost-Spielers auf 2 Pik kontra mehrfach als "unsportlich". Trotz Ermahnung, vorsichtig mit solchen Formulierungen umzugehen, wiederholt er diese Anschuldigung. Er unterbricht mehrfach verschiedene andere Teilnehmer der Verhandlung und wird vom Schiedsgerichtsvorsitzenden unter Androhung einer Strafe zur Ordnung gerufen.
Der Score von 3 SA - 2 für NS wird bestätigt. Für das Schiedsgericht ist das Gebot von 4 Pik abwegig, daher behalten OW ihren am Tisch erzielten Score von - 300. Dem N-Spieler (und damit natürlich dem NS-Paar) werden 20% eines Tops für die Beleidigung des O-Spielers in der Verhandlung abgezogen. Die Protestgebühr wird zurückgezahlt.
Nach der Verhandlung unterhält sich der N-Spieler vor Zeugen mit dem Schiedsgerichtsvorsitzenden. Er bezeichnet ihn ebenfalls als "unsportlich" und sein Benehmen als "unter der Teppichkante". Dieser Vorgang wird auf dem Schiedsgerichtsformular vermerkt, um dem Verband gemeldet zu werden.
Kommentare: Mein Kommentar:

Das Verhalten des Ost-Spielers ist in meinen Augen in keinster Weise unsportlich. Es handelt sich hierbei nicht um einen "Double-Shot". Er sieht an seiner Hand zwar, dass Nord kein gutes Straf-Kontra hat, aber woher soll Süd das wissen, und warum sollte er nicht passen ? Die Alertregeln sind eindeutig was dieses kontra angeht. Ost hatte also eine legitime Chance, dass alle passen, und 2 Pik im kontra sollte für seine Seite der bestmögliche Kontrakt sein.
Mit Behauptungen wie "der Gegner ist unsportlich" sollte man äusserst vorsichtig sein. In der Regel lässt sich solch eine Behauptung nicht beweisen, und sie stellt immer eine schwere Anschuldigung dar. Ich finde es gut, dass das Schiedsgericht darauf reagiert hat und eine Strafe ausgesprochen hat.
Das Verhalten des N-Spielers nach der Verhandlung ist leider weit verbreitet, wenn auch nicht so extrem wie in diesem Fall. Immer wieder müssen sich Schiedsgerichtsmitglieder nach Verhandlungen vor unzufriedenen Spielern rechtfertigen und werden häufiger persönlich angegangen. Durch konsequentes Verfolgen solcher Vorgänge lässt sich hier vielleicht langsam eine Besserung erzielen.
Noch kurz zur Bridge-Entscheidung: Ich persönlich finde das 4 Pik-Gebot bridglich sehr schlecht. Die bisherige Reizung deutet darauf hin, dass 3 SA nicht besonders gute Chancen haben werden. Als Turnierleiter haben wir hier trotzdem zugungsten der unschuldigen Seite entschieden. Ich bin der Meinung, man sollte immer so entscheiden, dass im Zweifel die schuldige Seite das Schiedsgericht anrufen muss und nicht die unschuldige. Als eindeutig abwegig haben wir das Gebot nicht angesehen, sondern, wie gesagt, nur als schlecht. Mit der bridglichen Entscheidung des Schiedsgerichtes bin ich einverstanden.

Eure Kommentare:

"... ich finde das Verhalten von Nord ungeheuerlich und eine Strafe dafür auch mehr als angebracht. Was nun aber den Protest von Ost angeht habe ich eine andere Meinung. Für mich ist das 4 Pik Gebot nicht nur ein "schlechtes" Gebot sondern der klare Versuch eines Double-Shots. Ost "weiss" offensichtlich das das kontra auf 2 Pik nicht serios war, sein Gedankengang ist, entweder ist 4 Pik im X ein guter Score oder ich rufe die Turnierleitung wegen falscher Auskunft."

"...zur Frage, ob das Gebot 4 Pik exotisch war oder nicht: Ich nehme an, dass West genauso gehandelt hätte, wenn er statt des Karo-Königs ein kleines Karo gehabt hätte. Also vertauschen wir mal diesen König mit mit einem kleinen Karo von Süd. Jetzt gehen 3 SA, und plötzlich würde niemand mehr das 4 Pik-Gebot für abwegig halten, denn jetzt ist es gut. Es kann einfach nicht sein, dass Ost ein Nachteil daraus erwächst, dass er mit einem 9-Karten-Fit in Pik und einer Verteilungshand beim Partner und in weiß gegen rot 4 Pik reizt. Dies würde ich unter selektive Wahrnehmung des Schiedsgerichts buchen."

"...zur Frage, welcher Endkontrakt ohne Regelwidrigkeit zustande gekommen wäre: Osts Aussage, er hätte direkt 3 Pik geboten, ist plausibel. Es ist aber völlig unplausibel, angesichts der aktuellen Reizung von NS anzunehmen, dass 3 Pik ein auch nur entfernt wahrscheinlicher
Endkontrakt hätte sein können. Wenn NS ein Vollspiel reizen, ohne von einem Fit beim Gegner zu wissen, dann werden sie dies doch wohl erst recht tun, wenn beim Gegner und damit höchstwahrscheinlich auch bei ihnen ein Fit vorhanden ist. Das kann mir keiner weismachen, dass die beiden durch das 3 Pik-Gebot jetzt plötzlich so geschockt sind, dass sie Mäuschen spielen und passen, nachdem vorher heldenhaft die Gegnerfarbe überrufen wird und das Vollspiel problemlos gereizt wird.Warum soll nach 3 Pik nicht zum Beispiel Süd aufgrund des Negativkontras seines Partners 4 Coeur reizen? Oder verneint etwa Nords erstes Passe jegliche 4er Oberfarbe? Dann hätte es aber auch alertiert gehört. Nach 4 Coeur kann West so langsam mal ein Strafkontra in die Diskussion werfen, und Ost wird auch noch eins finden, falls NS in 5 Karo zu entkommen versuchen. In dieser Gegend ist der wahrscheinliche Endkontrakt zu suchen, und den braucht man dann auch gar nicht mehr zu splitten.
Osts Passe auf das Kontra hat ja nicht dazu geführt, dass NS einen schlechten Kontrakt gefunden haben, sondern im Gegenteil hat die fehlende Sperrwirkung von 3 Pik es ihnen ermöglicht, einen noch viel schlechteren zu vermeiden."

"...1. Zum Verhalten von N: den Abzug von 20% eines Tops finde ich sehr nachsichtig. Ich würde für solches Verhalten empfindlichere Strafen vorsehen.
2. Zum Turnierleiter: Völlig korrekt im Zweifel erstmal für die unschuldige Seite zu entscheiden.
3. Zur Schiedgerichtsentscheidung: Das Passe auf 2Px empfinde ich als völlig normal. Insbesondere wenn x Straf x war will ich doch wohl nichts anderes spielen. Das 4 Pik Gebot empfinde ich allerdings als jenseits von Gut und Böse. Wenn der Gegner schon 2 Pik strafkontrieren will (in rot gegen weiss) jetzt noch 4 zu sagen ist abwegig. Ich würde eher an dieser Stelle einen Doubleshot vermuten, weil vielleicht irgendetwas am Tisch vermuten liess das das mit dem Straf x keins war. z.B. das 3 Pik Gebot von Süd, das ja wohl aufzeigt das ein Stopper noch garnicht sicher ist für NS.
Meine Entscheidung daher: Score steht. NS erhalten einen Top Abzug wegen unsportlichen Verhaltens."

"...N sollte mindestens 1 Top Abzug bekommen. Süd alertiert nicht und jetzt wird auch noch Unsportlichkeit vorgeworfen. Das ist das allerletzte !
Ich weiss nicht, an welcher Stelle Ost gemerkt hat, dass es kein Strafkontra war (Anmerkung des Webmasters: er hat sich nach 3 SA, vor 4 Pik erkundigt), aber ich halte das 4 Pik Gebot , im Gegensatz zu scheinbar allen anderen, für absolut normal !! Wenn man West Karo König
mal dem Alleinspieler gibt, hat er mehr oder weniger 9 Stiche von oben. Wieso das Gebot so abwegig sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Ost wärend der Reizung irgendwann die Bedeutung des Kontras herausgefunden hat...sonst könnte die Anklage tatsächlich auf Doubleshot lauten."

"...bin mit allem sehr einverstanden, nur nicht mit der Schiedsgerichtsentscheidung, 4P sei abwegig. Ich zitiere L.Cohen, To Bid or..,S.174: The total number of tricks, when side A plays in notrump and side B plays in a trump suit = seven plus the number of trumps held by side B. Total tricks hier also 16. Wenn der Gegner 3SA erfüllt, bleiben für den Pik-Kontrakt
7 Stiche. WEgen der Gefahrenlage 3 kontrierte Faller besser als 3SA=. Ich denke, dass dieser Gedankengang ausreicht, um die Beurteilung "abwegig" eindeutig abzulehnen. Um nicht missverstanden zu werden, ich halte 4P keineswegs für gut wegen diverser Risiken (Viell. macht Gegner 10 Stiche in SA, oder nur 8, oder Total Tricks sind geringer wegen jew. Figuren in Gegnerf.), aber ich sehe einen deutlichen Unterschied zwischen den Attributen "schlecht" und "abwegig".
Meine persönliche Meinung bzw. Erfahrung, ist im übrigen, dass Turnier-SG zu rigorosen Entscheidungen neigen, zu schnell bei der Hand mit FRIVOL u. ABWEGIG."

"...Ich meine, dass Split-Score nur dann gegeben werden sollten, wenn eine absurde Aktion der unschuldigen Seite die Kausalkette zwischen Regelverstoss und Score zerstört. In diesem Fall gäbe es da zwei Möglichkeiten:
a) 4 Pik ist nicht absurd - das bedeutet, es muss auf 60/40 oder 3P - 1 für beide Seiten erkannt werden
b) 4 Pik ist absurd - dann muss N/S aber auch den am Tisch erzielten Score erhalten
Meiner Meinung nach ist a) richtig."

"...Der double shot besteht ja darin, dass man sich nach 2 Px  still zurücklehnt und dann nach 3 SA ein abwegiges 4 P gebot abgibt. Wer nach 2 Px nicht 3P reizt und dann hinterher 4P auspackt...(JA HÄTTE ich denn gewusst, dann...) Wenn man auf 3 SA passt, gibt man ja das für BEIDE Möglichkeiten normale Gebot ab, oder?"
(Anmerkung des Webmasters: wäre dann nicht passe genauso ein Double-Shot ? Wenn 3 SA fällt, freue ich mich, wenn es geht, kann ich immer noch den TL holen und erklären, dass mein Partner mit 4 Pik verteidigt hätte, wenn ich ihm mit 3 Pik die Vorlage dazu gegeben hätte. Man muss halt einfach die bridglich angemessene Entscheidung versuchen zu treffen)

Liste aller Fälle

 
 
Letzte Änderung: 05.01.2002 Home © by joefri